Forschungs-gruppe

29.–31. Mai 2024 in Berlin
Abschlusstagung der interdisziplinären
DFG-Forschungsgruppe „Recht – Geschlecht – Kollektivität“

Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Forschungsgruppe „Recht – Geschlecht – Kollektivität“ (FOR) besteht seit Januar 2018 und schließt ihre Arbeit im Laufe des Jahres 2024 ab. Ihr gehören Vertreter*innen der Rechtswissenschaft, der Soziologie, der Europäischen Ethnologie und der Geschichtswissenschaft von den drei größten Berliner Universitäten (HU/TU/FU), der Universität Potsdam und der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) an.

Der Ausgangspunkt der FOR sind die Auseinandersetzungen um Teilhabe und gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Gegenwart. Wir fragen danach, wie Kollektive entstehen, wie sie aufrechterhalten werden und wie in ihnen um Vorstellungen des Gemeinsamen gerungen wird. Diese Prozesse betrachten wir aus der Perspektive von Recht und Geschlecht. Kurz gesagt leitet diese Frage unsere Forschungen an:

Wie stellen sich aktuelle gesellschaftliche Konflikte dar, wenn wir sie aus der Sicht juristisch normierter und zugleich vergeschlechtlichter Kollektivierungsprozesse betrachten?

Globalisierung und Migration, plurale Lebensentwürfe und hybride Identitätsformationen, postfordistisch organisierte Beschäftigungsverhältnisse sowie die nachlassende Steuerungskraft moderner Regulierungsweisen – nicht zuletzt: des (staatlichen, offiziellen, formalen) Rechts – sorgen für vielfältige Konfliktlagen in spätmodernen Gesellschaften. Es ist zunehmend umstritten, was als ‚das‘ Allgemeine, als Allgemeinwohl gelten kann und welches ‚Wir‘ darüber entscheidet. Solche Konflikte um Zugehörigkeit und Teilhabe haben immer auch mit Geschlechterverhältnissen, Geschlechterordnungen und vergeschlechtlichten Subjektivitäten zu tun. Ausgehend von der Überlegung, dass sich Kollektivität im Spannungsfeld konflikthafter Prozesse der Ein- und Ausgrenzung ereignet, fragt die FOR nach den Mechanismen und Effekten von Geschlecht als Modus intersektionaler Vergesellschaftung sowie nach den Weisen, in denen Recht Möglichkeiten der Veränderung von Geschlechterverhältnissen begrenzt oder öffnet, zur Lösung von Konflikten beiträgt oder sie versperrt. In den Fokus geraten dabei neue Formen von Solidarität und Gemeinsamem, die angesichts eines verloren gegangenen und problematisch gewordenen Allgemeinen mit neuen Räumen des Geteilten experimentieren. Damit leistet die FOR Beiträge zur interdisziplinären Geschlechterforschung sowie zur interdisziplinären empirischen Rechtsforschung. Recht verstehen wir nicht nur als Korpus von Normen, sondern auch als Rechtspraxis unterschiedlicher Akteur*innen. Daher sind alltagsweltliche Vorstellungen und Nutzungsweisen sowie Aushandlungs- und Übersetzungspraktiken von Recht für uns von besonderem Interesse.

In der ersten Förderphase (2018–2021) ist deutlich geworden, dass Vorstellungen von so unterschiedlichen Konzepten wie Gerechtigkeit, Menschenrechten und Gemeinwohl, Allgemeininteresse, Commons und Community, Solidarität oder Gemeinschaft zentrale Momente in Praktiken des Kollektiven darstellen. In der zweiten Förderphase (2021–2024) fokussieren wir daher verstärkt diese Konzepte. Wir betrachten Kollektive einer mittleren Ebene als wichtige Impulsgeber*innen in den gesellschaftlichen Verhandlungen von Gemeinschaft, Gemeinwohl und Solidarität. Alle Teilprojekte fokussieren konfliktförmige Verhandlungen des Allgemeinen sowie Praktiken und Imaginationen des Gemeinsamen. Wir vermuten, dass sich hier etwas zeigt, was unsere oft als zerrissen erlebte soziale Gegenwart besonders auszeichnet: Erfahrungen des verloren gegangenen – beziehungsweise in seinem partikularen Charakter herausgestellten – Allgemeinen treffen auf Hoffnungen, ein neues, weniger abstraktes Gemeinsames zu erschaffen und neue Räume des Geteilten zu finden.

Während der ersten Förderphase widmeten sich die einzelnen Teilprojekte etwa Betriebsräten, Gewerkschaften und prekarisierten abhängigen Selbstständigen (und damit neuen Formen des kollektiven Handelns in der Erwerbsarbeit), geschlechterpolitischen Interessenskollektiven in monogeschlechtlich dominierten Berufsfeldern (wie in Arbeitsgruppen von Soldatinnen, die nicht zufällig regelmäßig als ,weibliche Soldaten‘ firmieren), neuartigen Nutzer*innen-Gemeinschaften (die als Commons-Initiativen auch rechtliche Grundnormen herausfordern) und queeren, migrantischen sowie um die Kategorie ,Behinderung‘ versammelten Communitys (in ihrer Auseinandersetzung mit Recht gegen Diskriminierung).

In der zweiten Förderphase stehen in den Teilprojekten die Rolle von Geschlecht in Umweltrecht und Umweltklagen, transnationale Arbeitskonflikte, Prozesse der Entstehung und der langfristigen Aufrechterhaltung von Urban & Housing Commons, die Organisation des Verbraucher*innenschutzes, gemeinwohlorientierte Prozesse der Infrastrukturierung im Kontext von Verkehrsplanung und Geburtshilfe, die Mobilisierung von Menschenrechten durch LGBTIQ*-Bewegungen seit den 1970er Jahren sowie Konflikte um Rechtsstaatlichkeit in Polen im Zentrum.

Teilprojekte

Teilprojekt A

Umweltrecht & Umweltklagen

Teilprojekt B

Transnationale Arbeitskonflikte

Teilprojekt C

Urban & Housing Commons

Teilprojekt D

Verbraucher:innen-schutz

Teilprojekt E

Gemeinwohl-orientierte Infrastrukturierung

Teilprojekt F

Menschenrechte, queere Geschlechter und Sexualitäten

Teilprojekt 0

Krise der Rechtsstaatlichkeit & Koordinationsprojekt

Ehemalige

Tagungsbericht

Partner & Förderer

Die Forschungsgruppe „Recht – Geschlecht – Kollektivität“ wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Beteiligt sind Forschende von der Humboldt-Universität zu Berlin, der Freien Universität Berlin, der Technischen Universität Berlin, der Universität Potsdam und der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder).